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Ein Pinguin wird nie ein Kamel - und umgekehrt.

Man stelle sich ihn einmal vor: einen Pinguin, der mitten in der Wüste steht und kläglicher nicht aussehen könnte. Flügel, mit denen er nicht fliegen kann, Füße, die ihn nur watschelnd voranbringen und Beine, die fast zu kurz  sind, um den runden Körper zu tragen. Und da steht er nun auf sandigem Boden und sieht ziemlich verloren aus. Überleben wird er in dieser Umgebung vermutlich nicht so lange.

 

Nun aber schnappen wir ihn uns und werfen ihn ins Wasser. Und auf einmal wird aus dem kläglichen, so hoffnungslos wirkenden Tier ein wahrer Könner. Endlich in seinem Element, schießt er blitzschnell durchs Wasser, erbeutet scheinbar mühelos seine Nahrung und gleitet regelrecht schwerelos dahin. 

 

Ich gebe zu, die Idee mit dem Pinguin ist nicht von mir. Und anstatt des Pinguins könnte man natürlich jedes andere Tier nehmen und es in eine für es lebensfeindliche Umgebung versetzen. Aber ich finde die Symbolik hervorragend, um Eltern und Schülern zu verdeutlichen,

 

- wie wichtig die richtige (Lern-)Umgebung für jeden von uns ist,

- dass nicht jeder Mensch in jeder Situation perfekt funktionieren muss,

- dass jeder Mensch andere Stärken (und Schwächen) hat und

- dass man aus einem Pinguin kein Kamel machen kann (was wir Eltern manchmal einfach einsehen müssen).

 

Viele von uns haben sich bestimmt schon oft gefühlt wie der oben beschriebene Pinguin. Und unseren Kindern geht es mit Sicherheit nicht anders. Befinden wir uns in einer Situation, in der wir uns nicht auskennen, in der wir uns nicht wohlfühlen und für die wir nicht gut gerüstet sind, werden wir es wohl kaum zu Höchstleistungen bringen. Im schlimmsten Fall gehen wir an der Situation kaputt. 

 

Damit es nicht so dramatisch endet, ist es wichtig zu wissen, was uns gut tut, was wir gut können und WIE wir etwas gut können. Und auch, was wir nicht gut können und uns nicht gut tut. Das ist nicht immer ganz leicht herauszufinden, aber wir können unseren Blick dafür schärfen. In Situationen, die uns schwerfallen oder unangenehm sind, müssen wir versuchen zu konkretisieren, was genau uns schwerfällt:

 

- Ist es ein fachliches Problem, das wir nicht verstehen?

- Ist es mein Gegenüber, das mir Angst macht (Chef, Lehrer etc.)?

- Ist es die Umgebung, die mir nicht behagt (zu hell, zu laut, zu stickig, zu viele Menschen usw.)?

- Habe ich mich vielleicht nicht ausreichend genug auf die Situation vorbereitet?

- Habe ich gesundheitliche Probleme, die mir zu schaffen machen?

- Bin ich vielleicht gedanklich mit Sorgen und Problemen belastet?

 

Je genauer wir sagen können, weshalb wir uns nicht wohl fühlen oder warum wir schlechte Leistung erbringen, desto eher können wir etwas verändern. In Bezug auf unsere Kinder heißt das zunächst folgendes:

 

Ist das Kind fachlich überfordert? Dann müssen wir herausfinden, ob es Wissenslücken hat, die man durch Üben und Lernen schließen kann, ob Lernschwächen oder -störungen vorliegen oder ob dieses Fach einfach nicht den Stärken des Kindes entspricht (stark sein, Eltern!).

 

Hat das Kind Angst vor der Schule, dem Lehrer oder den Mitschülern? Dann müssen wir ihm helfen, diese Angst zu überwinden. Dabei helfen zum einen Gespräche mit den betroffenen Personen, zum anderen muss das Kind immer wieder erfahren, spüren und zu hören bekommen, welche Stärken und positive Eigenschaften es selbst hat, damit sein Selbstbewusstsein stark genug ist, der Angst zu begegnen. Leidet das Kind unter sehr großer Schulangst, muss gegebenenfalls ein Fachmann hinzugezogen werden. 

 

Ist es die Umgebung, die das Kind beeinträchtigt? Dann kann man es unterstützen, indem man versucht, die störenden Reize einzudämmen (Ohrstöpsel bei Geräuschempfindlichkeit, Auszeiten während der Stunde in der Leseecke oder auf dem Flur, gedämpftes Licht bei den Hausaufgaben, das Kind vorne in der Nähe des Lehrers sitzen lassen usw.)

 

Hat das Kind sich nicht genügend auf eine Arbeit oder Prüfung vorbereitet? Dann bitte nicht zusätzlich zur schlechten Note auch noch schimpfen! Das Kind hat seine Lektion schon erhalten. Stattdessen gemeinsam überlegen, wie man sich beim nächsten Mal besser vorbereiten kann, welche Lernstrategien vielleicht besser funktionieren usw.

 

Fühlt sich das Kind gesundheitlich nicht wohl? Auszeiten gönnen und das Kind nicht direkt am nächsten Tag wieder zur Schule schicken. Das bringt überhaupt nichts!

 

Ist das Kind gedanklich mit Sorgen und Problemen belastet? Dann sollten wir das nicht auf die leichte Schulter nehmen und dem Kind unbedingt helfen. Ist man selbst mit der Situation überfordert, kann man sich Hilfe holen: Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter und der Kinderarzt können eine erste Anlaufstelle sein.

 

Sollte ihr (kleiner oder großer) Pinguin auch im Wasser nicht zurecht kommen, dann muss man noch einmal ganz genau hinschauen und klären, woran es liegt (Lern- oder Aufmerksamkeitsstörungen, emotionale, soziale oder psychische Probleme usw.). Entsprechend muss man ihn - den Pinguin - unterstützen, fördern und die nötigen Schwimmflügel anziehen, damit er im Wasser nicht untergeht.

 

Mit der Zeit bekommen wir ein Gespür dafür, was unseren Kindern gut tut, was sie wirklich gut können und worin ihre Schwächen liegen. Es braucht Zeit und Selbstvertrauen, aber das schaffen Sie! Aber Sie sollten immer daran denken:

 

Wer als Pinguin geboren wurde, wird nie ein Kamel - und umgekehrt!

 

 

 

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